Abschlussurkunde – Briefkasten – Bildschirm – Sofa – Livemusik. Wer alle diese Schlagworte zusammenfügt, hat den kreativen Schlüssel zu einer gelungenen Online-Feierlichkeit in der Hand. Dem Team der Mentoring-Partnerschaft München ist es am 19. November 2020 gelungen, die Abschlussveranstaltung für Mentor*innen und Mentees auf das digitale Format zu übertragen und feierlichen Glanz bis in die jeweiligen Wohnzimmer zu bringen.
Das Projekt-Team führt seit 2014 erfolgreich hochqualifizierte Menschen mit ausländischen Bildungsabschlüssen (Mentees) und erfahrene Profis aus den entsprechenden Branchen (Mentor*innen) zusammen. Ziel ist einerseits die individuelle Arbeitsmarktintegration voranzutreiben und andererseits dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. So hat das Team auch in 2020 die Absolvent*innen des letzten Jahres zur traditionellen Abschlussveranstaltung mit Urkundenübergabe geladen. Diesmal allerdings in den eigenen vier Wänden, im Online-Format von Webex-Meetings. Im Vorfeld waren bereits Päckchen an die Teilnehmer*innen versendet worden. Darin befanden sich ein kleines Buchgeschenk und die Abschluss-Urkunde im Extra-Kuvert. Dieses sollte später gemeinsam feierlich geöffnet werden.
Beruflicher Anschluss für rund zwei Drittel der Mentees
Insgesamt 37 Personen hatten sich am frühen Abend des 19. Novembers zum gemeinsamen Feiern eingefunden: Mentees, Mentor*innen, Projektmitarbeiter*innen und Ehrengäste. Gefeiert wurde die erfolgreiche Teilnahme von 26 Mentees aus den vergangenen beiden Projekthalbjahren, die pandemiebedingt besonders viele Hürden und Schwierigkeiten zu meistern hatten und haben. So haben 36 Prozent der Absolvent*innen eine qualifikationsadäquate Stelle gefunden, 18 Prozent waren nun in ihrem Berufsfeld tätig und weitere 18 Prozent in Qualifizierung. Die verbleibenden Teilnehmer*innen sind noch in der Orientierungs- und Bewerbungsphase. Bei all den unterschiedlichen Biographien und Unterstützungsbedarfen waren sich alle Teilnehmenden einig: man habe viele neue Erfahrungen und Perspektiven gewonnen, Fähigkeiten entwickelt und Fragen beantwortet, die nun zur eigenständigen Jobsuche und dem Ausbau der eigenen Möglichkeiten befähigten.
So geht „Feiern in Webex“
Für den feierlichen Rahmen sorgten die Grußworte der Ehrengäste Martha Doll, Leiterin der Abteilung Migration, Integration und Teilhabe im Amt für Wohnen und Migration, und Stephan Schiele, Geschäftsführer von MigraNet - IQ Netzwerk Bayern im Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung“. Die musikalischen Beiträge des Sängers und Gitarristen Bob Eberl verbreiteten analoges Flair. Mit zwei thematisch ausgewählten Songs lud Eberl zum gemeinsamen „Mitwippen“ auf den Webex-Kacheln ein und hob die Stimmung auch vor den Bildschirmen deutlich! Selbst ein Podiumsinterview mit zwei Tandems und das „offene Mikrophon“ als Möglichkeit um sich im Plenum zu äußern, konnte auf das Online-Format übertragen werden. Zum gemeinsamen Anstoßen hatte jeder Teilnehmende zuvor ein Getränk seiner Wahl bereit gestellt und sogar Konfetti regnete es digital!
Grußworte loben Innovationsgeist aller Beteiligten
Als Gastrednerin sprach Martha Doll von den aktuellen Herausforderung für das Projekt, aber auch für die Mentees und Mentor*innen zu Pandemiezeiten. Es sei notwendig und machbar neue Formen der Vernetzung und digitale Alternativen zu suchen. Auch wenn die „digitale Form nicht die persönliche Begegnung zwischen den Teilnehmenden und im Netzwerk“ ersetzen könne, habe sich aus den digitalen Möglichkeiten auch positive Effekte ergeben – wie zum Beispiel eine erhöhte Flexibilität, da räumliche Distanzen nicht mehr überwunden werden müssen, was sowohl für den Kontakt zwischen Mentor*innen und Mentees als auch für die Synergieeffekte zwischen den Projekten in Augsburg und München einen Rolle spiele. Doll wies darauf hin, dass Mentees allein durch ihren Mut zur Migration Innovationsgeist bewiesen hätten, dass sie fähig seien viele Hürden zu überwinden – besonders auch bürokratische Hürden in Bezug auf die berufliche Anerkennung. Aber, so betonte Doll, auch Mentor*innen müssten Hürden überwinden, wenn sie Zeit und Energie aufbringen, sich auf eine interkulturelle Begegnung einzulassen und Verantwortung zu übernehmen. Abschließend verwies Martha Doll darauf, dass Fachkräfte auch weiterhin gebraucht würden, wobei es im Projekt nicht nur um die Nutzung von Fachkraft gehe, sondern auch um das gemeinsame Miteinander in einer Gesellschaft der Vielfalt. Zuletzt dankte Doll noch der nicht anwesenden Regina Ober, als Leiterin der Servicestelle zur Erschließung ausländischer Qualifikationen dafür, dass sie das Projekt der Mentoring-Partnerschaft München federführend angestoßen hatte.
Auch Stephan Schiele bemerkte zunächst, wie schwierig es sei, ein Programm, wie die Mentoring-Partnerschaft, das ja vom persönlichen Kontakt lebe, auf den virtuellen Raum zu verlagern. Die Teilnehmenden hätten daraus aber das Beste gemacht, und das Projekt habe trotz (oder aufgrund) der erschwerten Bedingungen bewiesen, dass es flexibel sei und neue Wege gehen könne. So ist auch die Erfolgsquote gemessen an der aktuellen Lage gut, wenn auch natürlich die Vermittlung in Jobs deutlich schwieriger ist. Hier ist die Geduld und die Kompromissbereitschaft der Mentees weiterhin gefordert. Dies ist aber auch eine Stärke des Programms, da Eins-zu-Eins Unterstützung auch in Krisenzeiten direkt auf Bedarfe und Bedürfnisse reagieren kann.
Erfahrungberichte aus erster Hand
Im Anschluss an die Ehrengäste hatten zwei erfolgreiche Mentoring-Tandems das Wort und berichteten von ihren Erfahrungen und ihren persönlichen Highlights und Stolpersteinen. Besonders erfreulich ist, dass beide bereits eine Stelle gefunden haben – ein Jurist aus Syrien begann im Öffentlichen Dienst, eine Kommunikationswissenschaftlerin aus Mexiko konnte in der Redaktion eines privaten Fernsehsenders Fuß fassen. Beide Tandems betonten die Freude an der gemeinsamen Arbeit, durch die Tandempartner*innen auch persönlich viel gewonnen hätten. Die Vermittlung in einen zur Qualifikation passenden Job ist aber nur eines der möglichen Ziele, wie die Projektkoordination betonte: So geht es vor allem darum, den Mentees die entsprechenden Tools zu vermitteln. Aus der Tandemzusammenarbeit mit einem*einer Mentor*in entstehen so passende Strategien zur Jobsuche und Bewerbung, und die unentbehrliche berufliche Vernetzung. Ganz nebenbei werden außerdem arbeitsrechtliche Fragen geklärt, berufliche Ziele geschärft und Branchenspezifika vermittelt, wie zum Beispiel die Dos and Don'ts in bestimmten beruflichen Situationen.
„So eine Erfahrung bekommt man nirgendwo sonst, in keinem Karrierecoaching oder Training! (Jana R., Wirtschaftswissenschaftlerin aus Russland, Mentee)
„Das Projekt ist eine einzigartige Möglichkeit, sich beruflich und persönlich zu integrieren“ (Evgeniya Sch. Ingenieurin der Verkehrsplanung aus Russland, Mentee)
„Das Programm ist sehr wichtig für alle Menschen, die nach Deutschland kommen. Es verkürzt die Wege“ (Nadia Mohammed S., Dolmetscherin und Juristin aus Ägypten, Mentee)
„Auch wenn ich jetzt noch keinen Job habe. Ich habe jetzt das Werkzeug. Jedes Telefonat, jede Stunde mit der Mentorin, jede Idee war gut für mich. Jetzt weiß ich worauf ich achten muss und was ich will.“ (Raissha Sch. Chemie-Ingenieurin aus Bolivien, Mentee)
Im Gegenzug profitieren die Mentor*innen von beruflichen Perspektiven aus dem Ausland und einem Austausch über manche „Grenze“ hinweg.
„Es ist der Austausch, gerade der Dialog, durch den wir beide im Tandem den Mehrwert hatten: die Energie, wenn beide offen und ehrlich sind – und beide auch wissen, dass es Rückschläge gibt. Jede Begegnung bringt uns weiter!“ (Erik Bühne, Relationsship Manager Executive Search and Staffing D/A/CH bei LinkedIn, Mentor)
Auch die Leistung des Projektteams wurde nochmals betont.
„Es ist eine sehr intensive Zusammenarbeit. Dem Projektteam der Mentoring-Partnerschaft kommt eine sehr wichtige Rolle zu beim Matching der passenden Tandempartner*innen. Das ist bei uns sehr gut gelungen.“
(Sylvia Dietmaier-Jebara, Leitung Stabsstelle Demographie, Interkulturelle Öffnung POR, LHM; Mentorin)
Mit dem gemeinsamen Öffnen der Abschluss-Urkunden und einer weiteren musikalischen Einlage von Bob Eberl endete die Veranstaltung mit erhobenen Gläsern und Tassen.
Bleibt zu hoffen, dass trotz aller digitalen Kreativität und Ausdauer im nächsten Jahr wieder persönliche Tandemzusammenarbeit möglich sein wird. Ebenso wie die Vernetzung von Interessierten, Aktiven und Ehemaligen in Präsenzveranstaltungen weiterhin ein vorrangiges Ziel bleibt.
Mentoring geht nur mit Mentor*innen: Engagieren auch Sie sich!
Die Mentoring-Partnerschaft sucht laufend nach Mentor*innen aus den Bereichen Jura, Wirtschaftswissenschaften, Kommunikationswissenschaften, öffentliche Verwaltung, Geisteswissenschaften, Ingenieurwesen, die Menschen mit ausländischen Bildungsabschlüssen beim Einstieg in den den deutschen Arbeitsmarkt begleiten.